Andrea von Braun Stiftung
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| Dissertation

Das Virus als Medium

Susanne Ristow


Der Diskurs zur Viralität hat seine Wurzeln in der frühen Molekularbiologie und Informationstheorie des 20. Jahrhunderts, gewinnt aber erst seit den 1960er Jahren an Virulenz und Metaphorik und wird mit der Dramatik von AIDS und der Entdeckung des retroviralen HIV in der Postmoderne äußerst populär. Das Virus als Medium für Veränderung wird hier im Zusammenhang mit den technologischen Voraussetzungen der Speicherung und Transformation kultureller Informationen betrachtet. Künstlerische Forderungen der Moderne nach Öffnung, Durchlässigkeit, Interaktion und Partizipation, vor allem im Kontext von Dada und Fluxus, werden mithilfe von „Agenten der Ansteckung“ als biologisch inspirierte Phänomene der Intermedialität interpretiert und analysiert. Virale Modelle der Interaktion und Transmission scheinen zur Annäherung von Kunst und Leben und zur aktuell praktizierten digitalen Partizipationskultur der Gegenwart beigetragen und diese eventuell auch innerhalb einer kulturellen Evolution mitgestaltet zu haben. Geleistet wird ein weitgespannter Überblick zum Virus als Denkfigur für Interaktion, Transmission, Interdisziplinarität, Konnektivität und Interdependenz im 20. und 21. Jahrhundert.