19. September 2003

Die Gestalt des öffentlichen Raumes

Dr. Birgit Wolter, Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Raumgestaltung

Die vorliegende Dissertation war mit der Zielsetzung begonnen worden, die Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen aus der Wahrnehmungspsychologie auf die Planungsmethodik von Architektur und Stadtgestaltung zu prüfen. Auf diesem Wege soll zu einer Erweiterung der wissenschaftlichen Grundlage für den Entwurf von städtischen Räumen beigetragen werden. Zu Beginn der Arbeit standen die Fragen: Wie wird die Gestalt eines Stadtraumes wahrgenommen? und: Gibt es bestimmte Raumeigenschaften, welche die subjektive Einstellung zu einem städtischen Raum so beeinflussen, dass dadurch dessen Popularität beeinträchtigt oder verstärkt wird? Während in der gängigen Planungspraxis vor allem Funktionalität das entscheidende Planungskriterium ist, geht die Arbeit davon aus, dass die räumliche Wirkung ebenfalls ein wesentlicher Gestaltungsaspekt ist.
In der Arbeit werden verschiedene räumliche Eigenschaften hinsichtlich ihrer Wahrnehmungsqualität untersucht. Eine grundlegende Bedeutung kommt daher der spontanen und unmittelbaren visuellen Wahrnehmung eines Raumes zu. Städtische Räume werden im Allgemeinen als Komposition maßstäblich verkleinerter, geometrischer Elemente entworfen. Da ein städtischer Raum aber nicht als ein euklidischer Raum, dessen drei Dimensionen gleichwertig sind, wahrgenommen wird, sondern als ein gerichteter Raum (Bollnow 2000), wird in der Arbeit die Perspektive des Menschen, der sich im Stadtraum befindet, eingenommen. Die Gesetzmäßigkeiten der räumlichen visuellen Wahrnehmung führen zu Hypothesen über die Wirkung einzelner räumlicher Eigenschaften. Diese Thesen werden in einer empirischen Untersuchung überprüft.
Die Stadt ist ein wichtiger Lebensraum des Menschen, vielleicht der wichtigste Lebensraum des öffentlichen Menschen. Die Außenräume einer Stadt, der jedem uneingeschränkt zugänglich ist, ist ein Ort, an dem das gesellschaftliche Leben beheimatet ist, an dem aber auch die gesellschaft -lichen Konflikte sichtbar und ausgetragen werden. Zur Zeit befinden sich die Städte in einem Umstrukturierungsprozess, der zu einer Überprüfung traditioneller Raumkonzepte geführt hat.
Unter den Schlagwörtern der "schrumpfenden Stadt" und der "Verödung der Innenstädte" werden in der öffentlichen Diskussion die Akzeptanz der Lückenhaftigkeit und die Strategie der Verdichtung des städtischen Raumes als unterschiedliche Konzepte einander gegenübergestellt. Das Ziel beider Konzepte besteht darin, öffentliche städtische Räume zu schaffen, die von den Bewohnern einer Stadt angenommen und genutzt werden. Die Wirkung, die einzelne physische Raumeigenschaften auf das individuelle Nutzerurteil ausüben, ist bislang aber weitgehend unerforscht. Daher finden sich nur unzureichende Grundlagen, um die beiden unterschiedlichen Raumkonzepte objektiv gegeneinander abzuwägen.

Die Dissertation wurde im Dezember 2006 abgeschlossen.